Freitag, 16. Januar 2009

Verkauf


15. 01. 2009

Auf dem Suq treffe ich Yahya, der mich auf einen Tee in seinen Antiquitätenladen einlädt. Er hat einen Bruder, der in Berlin lebt und den er einmal pro Jahr besucht. An den Wänden hängen Schminkutensilien aus Marib, alte Krummdolche, Silberketten, Gewehre, Kerzenständer aus Alabaster.
„Alles für die Touristen“, sagt Yahya. „Früher, als es noch kein elektrisches Licht gab, hatte jeder solche Kerzenständer, aber heute…“ Er macht eine wegwerfende Geste.


Auf der engen Gasse zwängt sich ein Moped zwischen die Menschenmenge, hupt. Yahyas Neffe taucht auf, fragt mich in perfektem Deutsch, wie es mir gehe und aus welcher Stadt ich komme. Er ist 11 Jahre alt und erst seit vier Monaten wieder im Jemen, weil seine Mutter hier eine Praxis für Hautkrankheiten aufgemacht hat. An Sanaa hat er sich noch nicht gewöhnt, findet Deutschland besser und würde gerne wieder zurück. Seine Mutter schickt ihn hier auf eine englische Schule. Aber spätestens, wenn er erwachsen sein wird, wird Berlin ihn wieder haben. Er lacht. Dann holt ihn ein weiterer Bruder Yahyas ab, hält ihn am Arm, nimmt ihn mit.
„Ahmed hat die Verantwortung für den Kleinen. Bei dem ganzen Verkehr, kann man nicht überall spielen. Hier ist nicht Deutschland“, sagt Yahya, „und mein Bruder nimmt seine Rolle ernst. Er ist der Sheik des Silbermarktes.“
Der Tee schmeckt wie immer extrem süß. Pfefferminzblätter schwimmen darin. Yahya lutscht an ihnen, süffelt die dunkle Flüssigkeit. Passanten rufen ihm „Salam“ zu.



„In München und in Leipzig habe ich zusammen mit Deutschen einen Teil des jemenitischen Marktes im Museum aufgebaut“, fährt er fort. Auch in anderen Städten war er, Hannover, Köln, Kleve…
„Kleve?“ frage ich.
„Ja“, sagte er, „da hatte ich eine Bude auf dem Weihnachtsmarkt. Ohne Heizstrahler wäre ich erfroren, aber die Leute haben meine Antiquitäten gekauft, diese kleinen Kugeln zum Beispiel.“ Er greift in eine Glasvitrine, zeigt mir Ei-große Silberarbeiten. „Eines Tages hat eine ältere Dame zu mir gesagt, ich soll kleine Weihnachtsbäume aus Plastik nehmen und die Kugeln dran hängen, immer nur zwei, drei. Ich fand die Idee gut und habe es versucht. Die Weihnachtsbäume waren der Renner.“ Er strahlt übers ganze Gesicht.



Abends fahre ich mit Dierk zu einem Laden, der im Fenster „Brands for less“ stehen hat. Drinnen entpuppt sich das Geschäft für verbilligte Markenartikel als Tschibo-Verkaufsfilliale. Dierk braucht einen neuen Duschkopf, den es hier billig gibt. Wer aber die anderen Waren erstehen soll, weiß ich nicht. Den Jemeniten, der einen Schuhputz-Igel für seine Sandalen kauft, möchte ich sehen. Auch beheizbare Einlegesohlen scheinen mir bei den hiesigen Temperaturen ein recht gewagtes Angebot, genau wie der Klappschlitten und der Skianzug. Bedenkt man, daß der Müll immer auf die Straßen fliegt, wenn auch mittlerweile in kleinen Plastiktüten verstaut, beweist auch der Mülltonnenverschluß durchaus Humor genau wie der Hundereisekoffer. Aber die jemenitischen Verkäufer können unsere Erheiterung nicht recht nachvollziehen, blicken uns verständnislos an.



Draußen schlitzen die Scheinwerfer durch die schwarzen Stoffballen der Nacht. Wer sich vordrängt, hat Vorfahrt, wer wartet, steht auf verlorenem Posten. Gestalten rennen im letzten Moment über die Straßen. Auf dem Mittelstreifen sehe ich einen Wagen auf dem Dach liegen. Ich suche nach dem Sicherheitsgurt, aber die Werkstatt hat nur einen für den Fahrer einbauen lassen. Dierk grinst.
Die neu eröffnete Präsident-Saleh-Moschee strahlt neben der Fahrbahn wie ein Fremdkörper. Milliarden hat das riesige Gebetshaus verschlungen. Aber wie man sich auf den Straßen Sanaas erzählt, soll der Präsident sie aus eigener Tasche bezahlt haben. Ein plötzliches Lichtermeer, das sich aufbäumt, unzählige Leuchtwellen, dann nach und nach im sich entfernenden Rückspiegel nur noch ein Glitzern der Minarette und vor uns schließlich der dunkle Strand der Straßen.